„verliebt, verzopft, verwegen" beschäftigt sich mit Lebensmodellen und Netzwerken lesbischer Frauen im Wien der 50er und 60er Jahre.
Im Unterschied zu Perioden davor und danach ist die Nachkriegszeit wissenschaftlich nicht aufgearbeitet. Das bedeutet, dass eine Zeitspanne von mehr als 20 Jahren in Hinblick auf lesbische Geschichtsschreibung gänzlich undokumentiert ist. Es gibt keine Informationen darüber, welche Gemeinschaften und Orte es gab und wie öffentlich, d.h. zugänglich sie für Interessierte waren, wie sich Frauen organisierten und nach außen hin präsentierten und was es zu dieser Zeit bedeutete, sich als lesbische Frau zu identifizieren.
Auch andere Zeitabschnitte sind - vor allem in Österreich - nur spärlich aufgearbeitet, und eine allgemeine Tendenz zur Nicht-Sichtbarkeit/Unsichtbarmachung von lesbischer Geschichte ist offensichtlich. Dennoch sind andere Etappen lesbischer Zeitgeschichte in Österreich mittlerweile einigermaßen erforscht: Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als Frauen erstmals als „lesbisch“ definiert und kategorisiert wurden, nicht zuletzt auf Grund der Sexualforschung von Wissenschaftern wie Sigmund Freud, Magnus Hirschfeld und Richard von Krafft-Ebing entwickelte sich eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit weiblicher Homosexualität.
Während der „roten 20er-Jahre“ in Österreich gab es zum ersten Mal zahlreiche Frauenclubs und Zirkel, die ein internationales gegenkulturelles Kontaktnetz bildeten. Zwar weit nicht so ausschweifend wie in Berlin, wo es zur selben Zeit um die 160 Lokale für Lesben und Schwule gab, doch immerhin gab es erstmals deklarierte Räume für lesbisches Leben in Wien.
In dieser Zeit großer Handlungs- und Bewegungsfreiheit und der internationalen Vernetzung von lesbischen Frauen zwischen 1927 bis 1933 (Machtübernahme der Nationalsozialisten) waren die zwei deutschen Zeitschriften „Freundin“ (herausgegeben vom Bund für Menschenrechte, erschienen bis 1933) und „Frauenliebe“, Wochenzeitschrift für Freundschaft, Liebe und sexuelle Aufklärung (erschienen bis 1930) mit explizit lesbischen Inhalten auch in Österreich zu beziehen. In beiden Zeitschriften schrieben auch österreichische Korrespondentinnen unter Pseudonym über die Gesetzeslage und Gesetzesänderungen in Österreich, verfassten Fortsetzungsromane oder Gedichte. Es gab zahlreiche „codierte“ Kontaktanzeigen aus Österreich, in denen Begriffe wie zum Beispiel „Fräulein“, „Dame“ und „Freundin“ als Erkennungszeichen dienten. „Frauenliebe“ hatte zuletzt eine Auflage von 10.000 Stück.
Die nationalsozialistische Machtergreifung - wie auch der austrofaschistische Ständestaat - setzten dieser beginnenden Sichtbarkeit und Selbstverständlichkeit lesbischen Lebens ein gewaltsames Ende. Was wir heute an historischen Dokumenten über lesbisches Leben in Wien während der Zeit des Dritten Reichs finden, stammt zumeist nicht von Zeitzeugenberichten, sondern von den Verfolgungsbehörden, die ihr Vorgehen penibel dokumentierten. Kamen lesbische Frauen vor ein Gericht, wurden die meisten wegen ihrer Homosexualität für einige Jahre bedingt verurteilt. Wobei damals, zumal nach dem Anschluss, auch die bedingte Strafe Kerker oder
Konzentrationslager für die verurteilten Frauen bedeutete.
Während des Nationalsozialismus wurde gesetzesmäßig nach dem 1852 erlassenen Paragraphen 129 verurteilt, der „Unzucht wider die Natur, das ist a) mit Tieren und b) mit Personen desselben Geschlechtes“ verbietet. Nach Ende des Krieges wurden aus den Lagern zurückkehrende Homosexuelle jedoch nicht als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt, die verbleibenden Gefängnisstrafen mussten weiter abgebüßt werden, und von NS-Richtern verhängte Strafen wurden als Vorstrafen bestätigt. Grund dafür war auch, dass der Paragraph 129 erst 1971 abgeschafft wurde.
Die wissenschaftliche Auseinandersetzung wird erst in den als Beginn der Lesbenbewegung geltenden 70er Jahren wieder aufgenommen. Den Auftakt dazu gab die oben erwähnte Strafrechtsreform von 1971, die anstelle des Unzucht-Paragraphen allerdings eine Reihe von anderen Paragraph einführte (§209: Unzucht mit Minderjährigen (betrifft nur Männer) aufgehoben 2002, §210: homosexuelle Prostitution, aufgehoben 1989, §220: Werbeverbot, aufgehoben 1996, §221: Vereinsverbot, aufgehoben 1996). Das Strafmaß für den Verstoß gegen §209 war seit 1852 (§129) mit sechs Monaten bis fünf Jahren unverändert geblieben. Anfang der 70er Jahre beginnt die Frauenbewegung auch in Österreich aktiv zu werden.
Eine explizite Lesbenbewegung beginnt jedoch erst 1976, als sich die erste lesbische Gruppierung als Arbeitsgruppe der AUF (Aktion unabhängiger Frauen) formierte. Weitere Aktionen folgten, wie 1976 die Gründung einer Lesben-WG (Amazonenmarkt), das erste Lesbenflugblatt zum 1. Mai 1979, der erste „Club 2“ (Diskussionssendung im ORF) über Homosexualität (1979), der erste österreichische Lesbenkongress, erste Transparent von Lesben bei der Demonstration zum internationalen Frauentag oder das erstes Lesbenfest in der Diskothek U4 gegen das Werbe- und Vereinsverbot (alle 1980), um nur einige zu nennen. Ebenfalls 1980 wurde die Rosa-Lila-Villa besetzt, und 1983 wurde die österreichische Gesellschaft für Homosexuellen- und Lesbenforschung gegründet.
Nach dem vielerorts plakatierten Slogan "Lesben sind immer und überall" begann eine vielfältige und Lesbenbewegung, gesellschaftliche Handlungs- und Diskursräume zu erobern.
Die Altersgruppe lesbischer Frauen, die im Mittelpunkt von „verliebt, verzopft, verwegen" steht, ist heute kaum präsent, kaum in der queeren Szene und schon gar nicht im öffentlichen Bewusstsein. verliebt, verzopft, verwegen hält diesem Verlust an kollektiver Geschichte und damit Identität ein vielschichtiges Porträt entgegen.