Geschichten lesbischer (Un-)Sichtbarkeit im Wien der 50er und 60er Jahre
Österreich 2009, 64min, Farbe und S/W
Ein Film von Katharina Lampert und Cordula Thym
Mit Rosmarin Frauendorfer, Ursula Hacker, Birgit Meinhard-Schiebel
Ein Tabu.
Eine historische und visuelle Leerstelle.
Eine queere Doku aus Österreich(!).
Ganz schön grau und verzopft war die Bundeshauptstadt anno dazumal. Die Szene war – sofern es sie überhaupt gab – schwul. Besonders einladend wirkte der sogenannte ‚Sub’ jedoch nicht: Im Falle der (nicht seltenen) Polizeirazzien mussten Lesben und Schwule schön gesittet an den Tischen sitzen – ganz ‚normal‘ und ‚unauffällig‘. Lesbisches Leben fand im Privaten, Verborgenen statt. Bilder davon gibt es, im Gegensatz zu anderen Ländern, in Österreich nur sehr wenige. Diese visuelle Leerstelle existiert – mit einer Unterbrechung in den gut dokumentierten 1970er Jahren, in denen die Lesbenbewegung politisch wie medial durchaus präsent war – im Grunde bis heute. Obwohl „Lesben immer und überall sind“.
Katharina Lamperts und Cordula Thyms ambitioniertes Regiedebüt beschäftigt sich mit Lebensmodellen und Netzwerken lesbischer Frauen in Wien in den 1950ern und 60ern. Im Mittelpunkt von „verliebt, verzopft, verwegen" stehen Interviews mit drei Zeitzeuginnen, die sich zu jener Zeit in der Szene bewegten und auf eloquente, unterhaltsame und erfrischend (selbst-)ironische Weise davon berichten, wie es war, sich schon in der Jugend als „anders“ zu erleben und trotz der gesellschaftlichen Hindernisse und ohne positive lesbische Vorbilder ihre eigene Identität zu finden.
„Ich hab in meinem Leben vielleicht ein bisserl zu viel Rüscherlbluserl angehabt, obwohl ich gar nicht der Typ dafür bin“
(Rosmarin Frauendorfer im O-Ton)
Rosmarin Frauendorfer, 1942 in Wien geboren und aufgewachsen, Schauspielerin und ORF-Sprechtrainerin, hatte ihr „langsames stotterndes Coming-out“ mit 24 in Deutschland. Bemüht, das Klischeebild vom ‚anderen Ufer‘ tunlichst zu vermeiden – will heißen wie ein ‚Mann‘ auszusehen –, trug Rosmarin „wohl ein bisserl viel Rüscherlbluserl“, obwohl sie „gar nicht der Typ dafür“ war. Ursula Hacker, Jahrgang 1946 und im Wiener Gemeindebau Karl-Marx-Hof groß geworden, war schon als Schülerin in ihre Lehrerin verschossen. Auch die ‚Hetero-Vergangenheit‘ vieler Lesben ist in „verliebt, verzopft, verwegen" Thema. So war etwa Birgit Meinhard-Schiebels damaliger Freund alles andere als beglückt, als der von ihm vorgeschlagene Besuch eines Schwulenlokals den ersten Kuss seiner Freundin, ebenfalls Jahrgang 1946, mit einer Frau und mit ihrem Coming-out dann das Ende der Beziehung zur Folge hatte.
In ihrer 5jährigen Recherche- und Überzeugungsarbeit erhielten die Filmemacherinnen zahlreiche Absagen auf Interviewanfragen. Dass es Lesben in Politik, Wirtschaft, Kultur, in Schulen gibt, ist eine Tatsache. Die Tendenz zur Unsichtbarmachung in der Gesellschaft jedoch auch – bis heute. „verliebt, verzopft, verwegen" ist ein wichtiger Film, damit sich das endlich ändert.